Monday, December 29, 2008

Schatten und Charlo


"Warum guckst du mich so an?", fragt sie. Dann antwortet er mit verträumter Stimme und Augen, "Nein, ich schaue nur deine Augen an. Diese Augen habe ich schon mal getroffen. Aber ich erinnere mich nicht wo... Trotzdem bin ich sicher, dass ich sie irgendwo getroffen habe. ...Ah! Jetzt! Im Spiegel! Ja, genau, im Spiegel! Im Spiegel habe ich diese Augen getroffen." "Dann kannst du in den Spiegel gucken, um sie zu sehen. Nicht mich!", sagt sie wieder mit lachenden Augen. "Ah! Leider habe ich den Spiegel nicht mehr. In meiner Wohnung habe ich keine Spiegel. Ich bin wie Vampir. Ich habe keinen Schatten. Dieser Schatten ist nicht mein. Meinen habe ich vor vieler Zeit verloren. Diesen hier habe ich mir beim Leihhaus ausgeliehen. "Wie viel Schulde ich Ihnen?", habe ich gefragt. - "Kein Geld! Er ist kostenfrei. Aber wenn Sie ihn verlieren, müssen Sie zwei Schatten mitbringen. Das ist unser Vertrag.", sagte der Pfandleiher. Jetzt habe ich den Schatten. Aber er bleibt an mir nur tagsüber. Bei Nacht verschwindet er. Ich habe keine Ahnung, was er draußen macht. Ich warte auf ihn die ganze Nacht. Warte, warte, warte ich. Ich kann nicht schlafen. Viel Sorge um diesen verdammten Schaten! Meine Schlaflosigkeit kommt daher. Aber ich hatte diese Augen!"

"Hast du gehört?", fragt er, plötzlich aufstehend.

"Was?", fragt sie zurück.

"Dieses Geräusch! Er kommt wieder! Mein ehemaliger schatten! Kannst du nichts hören? Ah! Er wandert da! Draußen! Ich muss rausgehen, um ihn zu treffen. Wirklich, hast du nichts gehört?", sagt er schnell als ob er seinen Kopf verloren hätte.

Sie schaut seine roten Augen ein paar Sekunden schweigend an und sagt kurz pizzicato, "Nein! Nichts!"

"Ihr hört nur mit den Ohren. Deswegen hört ihr nicht. Die Leute hören mit den Ohren. Sie sehen mit den Augen. Aber ich höre mit dem Gedanken. Ich sehe mit dem Gedanken. Ich denke, dass ich ihn gehört habe. Ich denke, dass ich ihn gesehen habe. Seit ich den neuen Schatten bekommen hatte, habe ich ihn einmal getroffen. Am westlichen Ende des Endteils, Lissabon, war ich in einem kleinen Café Oublié irgendwo in Alfalma. Es regnete...", sagte er als ob er im Traum wäre.

Er nimmt eine Zigarette aus der Packung, auf die Lucky Strike gepräge ist, und riecht an ihr. Und er sagt, "Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Ich kann nicht mehr rauchen, seit ich meine rechte Lunge verloren habe. Ich rieche bloß an Zigaretten. Ohne zu rauchen kann ich allerdings sagen, ob diese Zigarette gut schmeckt. Hmmmm... Nicht schlecht! Lucky Strike... Wo war ich? Ah! Ja! Es regnete... Ich schaute an, dass die Regentropfen sich aufs Meer fallen ließen. Von sepia Himmel fellen sie wie die verwelkten Blätter. In dem Augenblick habe ich ihn, meinen Schatten, gesehen. Nein! Ich dachte, dass ich ihn gesehen habe. Die Kellnerin fragte mich, "Was sehen Sie draußen?" Ich sagte, "Meinen Schatten. Haben Sie ihn auch gesehen?" Sie lächelte, "Natürlich! Er ist hier an Ihnen!" Ich schire, "NEIN! DIESER IST NICHT MEIN SCHATTEN. MEINER IST DA DRAUßEN. KÖNNEN SIE NICHT SEHEN? DA! AN DER VITRINE! ER KLOPFT DARAN. klopf. klopf. KÖNNEN SIE NICHT HÖREN? DIESER VERDAMMTE SCHATTEN DEN SIE GUCKEN; GEHÖRT MIR NICHT. ICH WEIß NICHT; WER DIESEN HATTE: ABER NICHT ICH! MEIN SCHATTEN; ER WANDERT! DA! MIRA! POR FAVOR; SENHORITA! SOMBRA! MINHA SOMBRA!" "Louco!", sagte sie, "Está louco!" Sie verschwand hinten in der Küche. Ich sah, dass mein sich verirrter Schatten weinte. Ich hörte, dass er weinte. Und er jammerte, "Wo stehe ich? Wo kann ich stehen? Du hast schon einen anderen Schatten. Wohin gehe ich jetzt?" Seine Tränen fellen... Seine sepia Tränen fellen von seinen roten Augen. Da habe ich klar gesehen. seine Tränen... Seine sepia Tränen..."


2 comments:

  1. Ihre Geschichte gefällt mir sehr gut. Aber ich hoffe, dass diese Geschichte bis hier nicht beendet, sondern wieder läuft!(Haben Sie vielleicht ´Doppelgänger´von Otto Rank schon gelesen? Es war sehr schön)

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  2. sorry, ich habe noch nicht "doppelgänger" von Otto Rank gelesen. Ya, stimmt. es ist noch nicht beendet. Hier ist nur ein Blog. Ich weiß nicht wer du bist. Aber du musst darauf warten. Diese Erzälung ist nur ein Teil meines Theaterstücks. Danke für deinen Kommentar.

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